Das Ausfallhonorar gegenüber dem Patienten durchzusetzen an sich istgrundsätzlich nicht das Problem. Man muss sich dabei aber vor Augen halten, dass ein Gerichtsverfahren für den Arzt und seine Mitarbeiter in der Regel bedeuten wird, dass sie zu Gericht gehen – also wieder wertvolle Praxiszeit verlieren – müssen. Auf der anderen Seite kann es sich lohnen, ein solches Verfahren zu betreiben, um damit nicht nur dem konkret betroffenen Patienten, sondern auch den anderen zu zeigen, dass das Nichteinhalten einer getroffenen Vereinbarung entsprechend sanktioniert wird. Ja nach Infrastruktur oder Zusammensetzung des Patientenstammes wird eine solche Botschaft sicherlich kommuniziert werden.
Das Urteil
Verschiedene Gerichte hatten sich immer wieder mit der Frage des Ausfallhonorars zu beschäftigen. So beispielsweise das Amtsgericht Wetzlar, welches in seinem Urteil vom 09.12.2004 (Az. 32 C 1826/03 (32) folgende Feststellungen traf:
- Im Rahmen eines geschlossenen Arztvertrages befindet sich der Patient in einem Annahmeverzug (§§ 615, 293ff BGB), wenn er einen fest vereinbarten und für ihn freigehaltenen Termin nicht einhält.
- Die Krankenversicherung muss für dieses Ausfallhonorar nicht aufkommen.
- Die Praxis trifft keine Verpflichtung, den Patienten vorher anzurufen, um abzuklären, ob er erscheinen wird.
- Die Praxis kann das Ausfallhonorar beanspruchen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein (§ 615 Abs. 1 BGB).
- Eine Entschädigung, welche einer Stundenvergütung in Höhe von 200 € entspricht, ist der Höhe nach angemessen.
- Die Praxis muss sich das Ausfallhonorar auch nicht anrechnen lassen, wenn nicht „böswillig unterlassen“ wurde, während des ausgefallenen Termins „eine anderweitige Verwendung seiner Dienste vorzunehmen (§ 615 Satz 2 BGB).
Bei der auf das Ausfallhonorar klagenden Praxis handelte es sich um eine reine Bestellpraxis, die Patienten kommen also nur zu den vereinbarten Terminen. Tatsächlich kommt es nach der Rechtsprechung darauf an, dass in der verstrichenen Zeit kein anderer Patient hätte behandelt werden können. Für die klagende Praxis konnte dies bejaht werden. Um dies positiv festzustellen, wurde eine Mitarbeiterin der Praxis als Zeugin vernommen. Diese konnte zur Überzeugung des Gerichts bestätigen, dass es sich zum einen um eine reine Bestellpraxis handelte und zum anderen aussagen, dass wenn ein Patient einmal nicht erscheine, kein Ersatzpatient zur Verfügung stehe und auch an dem besagten Tag kein Notfallpatient anwesend gewesen sei, so dass die ausgefallene Zeit hätte überbrückt werden können. Damit stand für das Gericht fest, dass die Praxis in der ausgefallenen Zeit keine Möglichkeit hatte, anderweitige Patienten zu behandeln, sodass eine etwaige Anrechnung von Verdienst nicht in Betracht kam.
Das Gericht bestätigte ein Ausfallhonorar in Höhe von 200 € pro Stunde. Dies wurde auf ein bei der Landeszahnärztekammer eingeholte Gutachten gestützt. Danach läge eine entsprechende Entschädigung im Mittel der durchschnittlichen Kosten für die Praxisstunde.
Anschließend machte das AG Wetzlar zur Beweislast folgende Ausführungen: „Dem hilfsweisen Einwand der Beklagtenseite (Anmerkung: Patient), wonach die beabsichtigten Behandlungen medizinisch nicht indiziert gewesen seien, sodass hierfür keine Vergütung beansprucht werden könne, ist nicht zu folgen. Da die Klägerseite (Anmerkung: Zahnarzt) die fehlende medizinische Indizierung bestritten hat, hätte der Beklagte für seine Behauptung Beweis antreten müssen. Der Beklagte hat jedoch lediglic sich selbst als Partei benannt. Da für diese streitige Behauptung keine hohe Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit spricht und damit kein Anfangsbeweis vorliegt, war von einer Parteivernehmung gemäß § 448 ZPO abzusehen.“
Kommentar
Diese Entscheidung zeigt einige wichtige Aspekte des Ausfallhonorars in erfreulicher Klarheit auf. Deutlich werden auch wieder zwei Kernaspekte des Ausfallhonorars: Es muss sich um eine reine Bestellpraxis handeln und der ausgefallene Termin nicht anders genutzt werden können; und das Gericht bediente sich einer Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung der Praxismitarbeiter.
Handlungsempfehlung
Wenn man einen Patienten auf Entschädigung wegen eines freigehaltenen und ungenutzt verstrichenen Termins verklagen möchte, sollte man einkalkulieren, dass ein Termin zur mündlichen Verhandlung unter Ladung des Praxisinhabers und höchstwahrscheinlich mit Zeugenvernehmung der Mitarbeiter angesetzt werden wird. Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass regelmäßig Ausfallhonorare eingeklagt werden müssen, sodass der Aufwand sich damit wieder relativiert.
Viele Praxen vereinbaren ein Ausfallhonorar. Dies ist sinnvoll und möchte man eine Entschädigung durchsetzen, eine Anspruchsgrundlage. Allerdings sollte man sich vorher überlegen, ob man den gerichtlichen Weg tatsächlich gehen möchte. Gewöhnen sich die Patienten erst einmal daran, dass trotz einer solchen Vereinbarung doch keine Sanktionen drohen, kehrt sich die Wirkung einer solchen Vereinbarung schnell ins Gegenteil um.
Quelle: Dr. Susanna Zentai, Rechtsanwältin