Mit diesen Programmen und adäquat ausgebildeten Pädagogen und Trainern, könnten viele Sportverletzungen von vornherein verhindert werden. „Allzu häufig müssen wir als behandelnde Kliniker uns mit einer therapeutischen Negativspirale nach einer potentiell vermeidbaren Sportverletzung auseinandersetzen.
Präventionsprogramme
Unser medizinisches Wissen ist heute jedoch so exzellent, dass wir Programme entwickeln, um als Sportmediziner präventiv arbeiten zu können. Die Programme breitflächig entsprechend umzusetzen ist jedoch Sache der Politik“, erklärte Prof. Romain Seil, Präsident der GOTS. Die verschiedenen Präventionsprogramme könnten aufgegliedert werden nach Sportarten, für bestimmte Gelenke oder Körperregionen oder auch nach Art des Sportlers: alt, jung, im Wachstum, Freizeit- oder Profisportler.
Unfallstatistik
Die meisten Unfälle passierten im Ballsport (allen voran Fußball, Handball), gefolgt vom Wintersport, Turnen, Laufen, Radsport (inclusive E-Bikes) und Wandern. Am häufigsten seien dabei Verletzungen des Bewegungsapparats: Muskelzerrungen, Muskelfaserrisse, Kreuzband- und Meniskus-Risse, Bänder-, Sehnen- und Knorpelverletzungen, Knochenbrüche, Prellungen, Verstauchungen, Verrenkungen, Quetschungen.
Individuell angepasste Prävention
Seil: „ Vom Schreibtisch direkt auf den Fußballplatz, in die Kletterhalle oder ins Fitness-Studio sind Verletzungen häufig vorprogrammiert. Eine Aufwärmphase und angelegte Bandagen reichen da nicht aus. Richtige Prävention muss auf den entsprechenden Sport, den Trainingszustand des Athleten und die beanspruchten Körperregionen zugeschnitten sein. Sie muss nach einem Plan, in bestimmten Zeiteinheiten stattfinden und zwar immer vor dem eigentlichen Training.“
Prävention vernachlässigt
Prävention werde bislang im Leistungs- und im Breitensport gleichermaßen absolut vernachlässigt. Frage man politische Entscheidungsträger über ihren Kenntnisstand im Bereich der Sportmedizin, stehe ihre Antwort häufiger mit Doping im Zusammenhang als mit Sportverletzungen. Wenn die Anzahl vermeidbarer Verletzungen jedoch so hoch ansteige, dass sie riskiere, zu einem ernsten Problem des öffentlichen Gesundheitssystems zu werden, sei es Zeit, schnell zu handeln.
Erfassung und Quantifizierung
Um handeln zu können fordert die GOTS eine systematische Erfassung und Quantifizierung der Sportverletzungen und Sportschäden im organisierten Sport. Aufgrund einer wissenschaftlich nachgewiesenen Reduktion der Verletzungen von ca. 50 Prozent unter systematischer Anwen-dung von Präventionsprogrammen (allgemein-, struktur- und sportartspezifisch) sollte die Prävention konsequent ins Training eingebaut werden. Die Vermittlung von motorischen Fähigkeiten und Bewegungsfertigkeiten müsse stärker im Kindesalter (Kindergarten, Schule, Sportverein) erfolgen. Die Präventionsforschung müsse dringend ausgeweitet werden: Erarbeitung und Validierung von Präventionsprogrammen, Ausweitung der Implementierungsforschung, Erarbeitung von Methoden für individualisierte Prävention, Kosteneffektivitätsanalysen von Bewegungsmaß-nahmen, neue Technologien und deren Einsatz.
Ethik und Staat
Beim Einsatz neuer Technologien (Sensoren, Wearables, Smartphone, App, Social Media, künstliche Intelligenz) seien das Erarbeiten von sinnvollen Meßparametern, die Validierung und Interpretation, inklusive Qualitätssicherung und Beachtung ethischer Aspekte zu fordern. Nicht zuletzt müsse die Lenkung staatlicher Gelder (z.B. Zuckersteuer/Tabaksteuer) mit Zweckbindung zur Bewegungsförderung und Prävention zwingend erfolgen.
Die trinationale (Deutschland, Österreich, Schweiz) Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin (GOTS) mit Sitz in Jena ist Europas größter Zusammenschluss von Sportorthopäden und Sporttraumatologen.
Quelle DOSB I Presse, Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) Nr. 44, 29. Oktober 2019