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Sport
Sportmedizin


Das asthmatische Kind und Sport

12.07.2018
 - Prof. Dr. Jürgen Weineck

Mit sportlicher Aktivität wieder richtig durchatmen
Mit sportlicher Aktivität wieder richtig durchatmen

Asthma ist die häufigste chronische Erkrankung im Kindes- und Jugendalter. Nach Schätzungen der WHO leiden in Deutschland über zwei Millionen Kinder (zwischen 1 bis 16 Jahre) an Asthma (vgl. Göttlicher 2008, 41). Eine Teilnahme an altersentsprechenden sportlichen Aktivitäten bzw. an einem gezielten Training führt zu verschiedenen positiven Veränderungen im Bereich der psychophysischen bzw. psychosozialen Befindlichkeit.

Die Krankheit beginnt meist in den ersten drei Lebensjahren. Anfangs herrscht das allergische Asthma vor, später überwiegen die gemischten Formen (allergisches und nicht-allergisches Asthma zugleich). Auch das Anstrengungsasthma ist im Kindesalter sehr häufig. Jungen sind im Allgemeinen doppelt so häufig betroffen wie Mädchen.

Allgemeine Prognose zum Krankheitsverlauf

Etwa ein Drittel der asthmakranken Kinder verliert während der Entwicklungsjahre die Beschwerden und kann als geheilt angesehen werden. Ein Drittel behält ein überempfindliches Bronchialsystem, sodass jederzeit die Entwicklung einer neuen Asthmakrankheit möglich ist. Bei einem Drittel bleiben die asthmatischen Beschwerden und damit eine entsprechende Behandlungsbedürftigkeit ein Leben lang bestehen.

Symptomatik

Der typische Asthmaanfall setzt nach kurzem Beklemmungsgefühl plötzlich mit schwerer Atemnot ein. Die Kinder verspüren einen Druck im Brustkorb, als ob er durch eiserne Reifen zusammengeschnürt würde. Durch den anstrengenden Husten wird die Atemnot weiter verschlimmert; das Kind hat Angst zu ersticken. Diese Angst und die seelische Aufregung steigern zusätzlich die Atemnot. Das Kind ist infolge der Anstrengung schweißgebadet und hat einen stark erhöhten Puls.

Nutzen körperlicher/sportlicher Aktivität für asthmatische Kinder

Eine Teilnahme an altersentsprechenden sportlichen Aktivitäten bzw. an einem gezielten Training führt zu verschiedenen positiven Veränderungen im Bereich der psychophysischen bzw. psychosozialen Befindlichkeit. Im Vordergrund stehen dabei:

  • Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit
  • Positiver Einfluss auf die asthmatischen Symptome
  • Verbesserung der psychischen und sozialen Situation

Nur durch Bewegung und Sport kann der wachsende Organismus des Kindes optimale formative Reize zu seiner Entwicklung erhalten und damit seine Leistungsfähigkeit erhöhen. Bleiben diese Reize aus, dann fehlen diese gerade im Kindesalter entscheidenden Stimuli und beeinträchtigen damit eine harmonische und optimale Gesamtentwicklung. Da sowohl für die koordinative Entwicklung als auch die Kräftigung des gesamten Bewegungsapparates (Muskeln und Knochen) die Kindheit der entscheidende Altersabschnitt ist – 98 % der späteren Knochenmasse z. B. werden im Kindes- und Jugendalter erworben –, wirken sich Defizite zu diesem Zeitpunkt besonders ungünstig auf die spätere Leistungsfähigkeit bzw. psychophysische Fitness aus.

Geringere körperliche Leistungsfähigkeit

Asthmatische Kinder weisen im Allgemeinen eine geringere körperliche Leistungsfähigkeit auf als ihre Altersgenossen. Aufgrund des vielfach vorliegenden »Schonverhaltens« der Kinder – die Angst, dass »etwas« passieren könnte, spielt hierbei eine nicht unwesentliche Rolle – schränken die Kinder mehr und mehr ihre Aktivitäten ein und driften damit zunehmend ins soziale Abseits.

Dies führt dazu, dass asthmakranke Kinder oft vorzeitig vom Schulsport befreit werden, fast nie an Bewegungsspielen und spielerischen kindlichen Wettkämpfen mit Schulkameraden und Freunden teilnehmen und sich in ihrer Freizeit in geringerem Maße körperlich betätigen und dadurch zusätzlich an körperlicher Leistungsfähigkeit einbüßen. Wegen des meist gänzlich veränderten Spielverhaltens kommt es darüber hinaus oftmals zu einer verstärkten sozialen Isolierung.

Asthmatische Kinder stecken daher in einem zweifachen Dilemma: Einerseits sind sie ständig gefährdet, einen Asthmaanfall zu erleiden, andererseits gehören sie aufgrund ihrer geringeren Leistungsfähigkeit meistens zu den Verlierern, oft verbunden mit sozialen Benachteiligungen und Einbußen an Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen.

Dieser Teufelskreis »Vermeidung von als gefährlich eingeschätzter körperlicher Belastung – Abnahme der motorischen Leistungsfähigkeit – zunehmendes Außenseiterdasein bzw. soziale Isolierung etc.« kann nur durchbrochen werden, wenn diese Kinder einem entsprechenden »Aufbautraining« und einer adäquaten Aufklärung und Betreuung zugeführt werden.

Aktivität für die Entwicklung der Atmungsorgane entscheidend

Aus sportbiologischer Sicht ist Bewegung und sportliche Aktivität für eine umfassende und harmonische Entwicklung unabdingbar. Dies gilt in gesteigertem Maße für asthmatische Kinder. Denn körperliche Aktivität spielt für die Entwicklung der Atmungsorgane eine entscheidende Rolle. Neben der Kräftigung der Atemmuskulatur wird – und dies ist insbesondere für Asthmakinder wichtig – der Sekretstrom in den Atemwegen durch körperliche Belastung wesentlich gesteigert, vor allem im Bereich der kleinsten Atemwege, die bei vielen asthmatischen Kindern besonders verengt sind. Körperliche Inaktivität fördert eher die Sekret-(Schleim)Verstopfung der kleinen Atemwege und ist für den weiteren klinischen Verlauf der Krankheit von großem Nachteil.

Gezielte Sportangebote in Verbindung mit einer optimalen Therapie sind demnach von größter Bedeutung. Um jedoch eine gefahrlose Teilnahme an sportlichen Aktivitäten zu ermöglichen, ist es wichtig, dass das Kind selbst und alle Personen, die mit ihm zu tun haben – dies betrifft insbesondere die Eltern, Lehrer, Spielkameraden, Mitschüler etc. – ausreichend informiert sind und damit die Vorzüge, aber auch die Gefahren des Sporttreibens kennen.

Gefahren sportlicher Aktivitäten für das asthmatische Kind

Da durch ungewohnte bzw. unzureichend vorbereitete Aktivitäten ein sogenanntes Anstrengungsasthma ausgelöst werden kann, sollte jedes asthmatische Kind vor der Aufnahme sportlicher Aktivitäten einer sorgfältigen und kompletten Lungenfunktions-Eingangsuntersuchung unterzogen werden. Wichtig ist dabei ebenso ein Test zur Ermittlung der körperlichen Leistungsfähigkeit, da es auch innerhalb der Gruppe der asthmatischen Kinder diesbezüglich große Unterschiede gibt, die von einem Minimum an Belastbarkeit bei Problemfällen bis hin zu körperlichen/sportlichen Spitzenleistungen reichen.

Anstrengungsinduziertes Asthma kann während oder nach körperlicher Belastung auftreten. Häufiger ist ein Auftreten nach Beenden der Belastung (etwa 2 bis 10 Minuten danach). Spätestens nach 30 Minuten kommt es zur Normalisierung der Lungenfunktion. Die Symptome äußern sich in Form von Luftnot, Giemen, Husten, spastischer Atmung und thorakalem Engegefühl (vgl. Göttlicher 2008, 41).

Vor der Ausübung sportlicher Belastungen ist die Feststellung der jeweiligen Tagesverfassung des Kindes von großer Bedeutung. Nicht jeden Tag ist das Kind »in Form«. Die Tagesverfassung eines asthmatischen Kindes lässt sich durch das Blasen in ein entsprechendes Messgerät (Peak-Flow-Meter), das den Spitzenfluss beim Auspusten der Luft nach maximaler Einatmung misst, ermitteln. Der Vergleich mit dem persönlichen Bestwert des Kindes, der zu einem beschwerdefreien Zeitpunkt erzielt wurde –, zeigt die Tagesverfassung an. Ist der Wert stark reduziert – bei einer Verminderung um 40 % im Vergleich zum Bestwert ist keine körperliche/sportliche Belastung mehr möglich –, dann sollte die anvisierte sportliche Aktivität, z. B. ein Ausdauertest im Rahmen des schulischen Sportunterrichts, auf einen günstigeren Zeitpunkt verschoben werden.

Anstrengungsasthma

Im Zusammenhang mit körperlichen bzw. sportlichen Belastungen spielt das soeben genannte Anstrengungsasthma oder belastungsinduzierte Asthma eine Sonderrolle. Es handelt sich hier um Anfälle, die regelmäßig durch körperliche Anstrengungen ausgelöst werden.

Beim Anstrengungsasthma liegt eine Austrocknung bzw. Abkühlung der Atemwege zugrunde, die durch die belastungsbedingte Mehratmung verursacht wird und reaktiv zu einer Engstellung des Bronchialsystems führt (vgl. Göttlicher 2008, 41).

Entscheidend für die Auslösung eines Anstrengungsasthmas – im englischsprachigen Bereich auch als Exercise Induced Asthma = EIA bezeichnet – ist weniger die Belastungsdauer als die Belastungsintensität. Bei einer Belastungsdauer von 6 bis 8 Minuten ist die asthmaauslösende Wirkung dann am ausgeprägtesten, wenn die Belastungsintensität etwa 80 bis 90 % der aeroben Leistungsfähigkeit beträgt, entsprechend einer Herzfrequenz um 180 Schläge pro Minute (vgl. Harries 1995, 35; Göttlicher 2008, 41).

Um ein Anstrengungsasthma diagnostizieren zu können, sollte ein Einstufentest auf dem Laufband oder Fahrradergometer durchgeführt werden, bei dem die angestrebte Belastungsintensität schnell erreicht wird. Die Belastungsintensität sollte im submaximalen Bereich liegen, entsprechend einer Herzfrequenz von 80 bis 90 % der maximalen aeroben Leistungsfähigkeit in den ersten zwei Minuten. Die Belastungszeit beträgt 6 (Lauftest nach Rasmussen et al.) bis 8 Minuten. Vor der Belastung wird die Lungenfunktion mittels FEV1 (= 1-Sekunden-Kapazität = diejenige Menge Luft, die inner - halb einer Sekunde ausgepustet werden kann) gemessen. Dieser Wert wird bei der Belastung (alle zwei Minuten) sowie nach Belastungsende (zweite, fünfte, zehnte, fünfzehnte, zwanzigste Minute) kontrolliert. Um den Schweregrad zu bestimmen, wird die FEV1 herangezogen.

Definitionsgemäß liegt aus medizinischer Sicht dann ein Anstrengungsasthma vor, wenn es durch körperliche Belastung zu einem (je nach Autor) 10- bis 15-prozentigen Abfall der Ein-Sekunden-Kapazität kommt (vgl. Debelic 1989 und Lecheler et al. 2001 in Göttlicher 2008, 42).

Quelle: Jürgen Weineck. Sportbiologie. 10. überarbeitete und erweiterte Auflage (Spitta 2009) 273-276

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