Regeneration durch Faszientraining - was das Training mit der Rolle bewirkt

Lange Zeit hat man Faszien als untrainierbares Verpackungsmaterial betrachtet. Dadurch wird ihre tatsächliche Funktion nur ungenügend beschrieben. In den letzten Jahren hat man immer mehr Sportler beobachten können, die mit einer Kunststoffrolle (BLACKROLL) gymnastische Übungen gemacht haben. Funktional betrachtet versuchen diese Sportler mit dem Trainingsgerät ihre Faszien zu "trainieren". Das Training mit einer BLACKROLL stellt dabei nur eine unter mehreren Möglichkeiten dar, die Faszien zu trainieren.
Was sind Faszien?
Wenn Fußballer wegen einer Wadenverhärtung nicht spielen können, oder ein Tischtennisspieler wegen Muskelverhärtung sein Spiel aufgeben muss, dann kann das auch daran liegen, dass Bindegewebsstrukturen beschädigt wurden. Für einen Sportler kann es daher von großer Bedeutung sein, dieses fasziale Netzwerk zu trainieren. Faszien sind kollagenes Bindegewebe und in der Sportmedizin wichtig, da sie im Bewegungsapparat für Halt und Stabilität sorgen. Man zählt dazu alle kollagenen (eiweißartigen) faserigen Bindegewebe, die durch ein Netzwerk im ganzen Körper miteinander verbunden sind. Faszien verfügen über Schmerzrezeptoren, haben Signalwirkung und sind an immunologischen Prozessen beteiligt. Sie sind mit zahlreichen Sinnesrezeptoren und sensiblen Nerven ausgestattet und bilden quasi ein eigenes Sinnesorgan (Steinacker 2013; Thömmes 2013). Es wurde sogar festgestellt, dass sich die Faszien bei Stress unabhängig vom Muskel zusammenziehen. Muskeln und Faszie bilden nach Myers (2008) eine untrennbar miteinander verknüpfte Einheit. Man spricht daher auch von der Myofaszie (myo: Muskelgewebe, Faszie: den Muskel umgebendes, bindegewebiges Netzwerk).
Durch die in diesem Buch dargestellten Übungen mit der BLACKROLL kann man anatomisch unmöglich nur das Faszien- oder Bindegewebe trainieren, ohne auch gleichzeitig die begleitende Muskulatur mitzutrainieren!
Ist unser Fasziengewebe hochelastisch, geschmeidig und belastbar, dann kann man seine optimale körperliche Leistungsfähigkeit abrufen. Gleichzeitig garantieren trainierte Faszien auch eine körperliche Verletzungsprophylaxe. Dies gilt in gleichem Maße für Breiten- wie Gesundheitssportler, die zusätzlich noch mehr Wert auf ihr Wohlbefinden legen. Interessant ist, dass Bewegungsformen wie Yoga, Tai Chi, Chi Gong oder Pilates ebenfalls die wichtige Bedeutung der Faszien anerkennen. Auch in der chinesischen Akupunktur werden sie berücksichtigt. Am wirkungsvollsten für den Aufbau von elastischen Fasern, ist eine dynamische Muskelbelastung, die gleichzeitig kräftigend und dehnend ist. Für den Dehnbereich gilt dazu Folgendes: Sanftes, elastisches bzw. rhythmisches Wippen an den Endpunkten einer Bewegungsposition eignet sich dafür besonders gut.
Aufbau der Faszien
Eine wichtige Besonderheit der Faszien besteht darin, dass diese sich an Belastungen anpassen können. Dies hängt u.a. mit dem Aufbau der Gewebestruktur zusammen. Die Faszien bestehen zu ca. 68 % aus Wasser, womit deutlich wird, dass der Flüssigkeitshaushalt für ihre einwandfreie Funktion eine wichtige Rolle spielt. Nur optimal hydrierte Sportler können entsprechend auch hochelastische, reißfeste und widerstandsfähige Faszien entwickeln. Daher gilt:
Eine hohe Funktionalität ist auf einen ausgeglichenen Wasserhaushalt angewiesen!
Ohne Sport bedeutet dies für einen erwachsenen Menschen, dass er ca.1,3 bis 2 Liter Flüssigkeit pro Tag trinken sollte. Diese Getränke sollten in erster Linie Mineralwasser, Früchtetees oder Fruchtsaftschorlen sein. Alkoholhaltige Getränke sowie eine zu große Menge koffeinhaltiger Getränke (Cola, Kaffee, Red Bull o.Ä.) wirken diuretisch, sie spülen Wasser und Elektrolyte aus dem Organismus. Kommt noch Sport hinzu, sollte man in etwa das trinken, was man durch das Schwitzen zuvor an Flüssigkeit verloren hat. Wer das nicht weiß, muss sich nur einmal vor und nach dem Training wiegen. Die Differenz ist in etwa gleichzusetzen mit der auf- zunehmenden Flüssigkeitsmenge.
Die Qualität der Faszienstruktur wird ebenfalls durch die Qualität der täglichen Ernährung beeinflusst.
Kollagene sind Proteine, bestehen also aus Aminosäuren, und machen etwa 1/3 der im Körper vorhandenen Proteinmenge aus. Die Grundsubstanz ist ein wässriges Gel, das sich aus Mukopolysacchariden oder Glukosaminoglykanen, wie Hyaluronsäure, Chondroitinsulfat, Keratinsulfat und Heparinsulfat, zusammensetzt. Von Fibroblasten und Mastzellen gebildete Proteoglykane bilden einen durchgehenden, und gleichzeitig hochvariablen "Kleber", der die Zellen des Kollagens zusammenhält. In einer aktiven Körperregion verändert die Grundsubstanz ständig ihren Zustand. Hingegen tendiert die Grundsubstanz in einer ruhenden oder angespannten Körperregion dazu, zu dehydrieren (Wasser zu verlieren), stärker viskös oder gelartiger zu werden und zum Ablagerungsplatz für Metabolite oder Toxine zu werden.
Wenn die Grundmatrix des Kollagens zu dicht ist, oder die Grundsubstanz zu stark dehydratisiert und viskös ist, werden die Zellen weniger mit Nährstoffen und Wasser versorgt. Das Ziel des Ausrollens besteht also u.a. auch darin, diesen Zustand zu verändern, um damit den freien Fluss der Nährstoffe und Abfallprodukte der Zellen zu ermöglichen (Myers 2008).
Das Bindegewebe eines gesunden, erwachsenen Menschen wiegt zwischen 10 und 12 kg. Für ein gesundes Bindegewebe empfiehlt Feil (2013) u.a. eine kieselsäurereiche Ernährung:
• Haferflocken
• Vollkornreis
• Hirse
• Gerste
• Ackerschachtelhalm
• Kartoffeln(ungeschält)
• Banane
Zusätzlich wirken folgende Antioxidantien zellschützend:
• Vitamin C
• Vitamin E
• Beta-Carotin
• Selen
Es ist ratsam, diese Antioxidantien durch natürliche Lebensmittel aufzunehmen. In ihrer natürlichen Nahrungsmatrix entfalten diese Stoffe ihre Wirkung effektiver als in Tablettenform. Durch eine obst- und gemüsereiche Ernährung kann man der Forderung nach dieser Kostform entsprechen. Vitamin E ist in vielen Ölen enthalten, allen voran in den kaltgepressten Olivenölen, aber auch im heimischen Rapsöl oder auch Leinöl. Beta-Carotin findet man z.B. in allen gelben oder roten Gemüsesorten, wie z.B. Tomaten oder Paprika.
Die Faszien im menschlichen Körper sind alle miteinander verbunden, sie verfügen über Nervenzellen und Rezeptoren. Lymphflüssigkeit wird über die Faszien transportiert und macht sie somit zu einem wichtigen Bestandteil des Immunsystems. Bei einer Muskelbewegung wird auch die Faszienhülle des Muskels bewegt, die wiederum mit anderen Faszien verbunden ist. Bewegung und sportliches Training wirken sich folglich auch auf die Faszien aus. Das Bindegewebe reagiert auf regelmäßig wiederkehrende Belastung oder dauerhafte Anforderungen. Faszien sind wie Muskeln dehnbar, man denke z. B. an den Bauch einer schwangeren Frau. In einem gesunden Körper werden Kollagenfasern alle 6 Monate im gesamten Körper durch neue Fasern ersetzt (Müller 2013).
BLACKROLL-Training – Eigenmassage durch Release-Technik
Das Training mit der BLACKROLL (siehe auch Kapitel 12) stellt nur einen Teil des Faszientrainings dar. Es ersetzt im Grunde genommen eine Massage durch einen Physiotherapeuten und ist die bekannteste und am weitesten verbreitete Form des Faszientrainings. Man bezeichnet es auch als Fascial-Release durch das Ausrollen mit den Kunststoffrollen. Die Ergebnisse dieses Ausrollens können bei richtiger Anwendung ähnlich wohltuend sein, wie bei einer manuellen Behandlung durch einen Therapeuten. Entscheidende Vorteile stellen die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten des BLACKROLL-Trainings dar. Die Option, die Druckstärke durch entsprechende Entlastungstechniken individuell zu variieren, stellt einen Vorteil beim Einsatz des BLACKROLL-Trainings dar.
Der Druck ist physikalisch der Quotient aus Kraft dividiert durch die Fläche. Der größte Druck entsteht, wenn die Kraft (Körpergewicht) senkrecht auf die Fläche (Faszie/Muskel) drückt. Alle Winkelgrade, die von der Senkrechten abweichen, erzeugen weniger Druck auf Faszie und Muskel. So gesehen entsteht beim gleichzeitigen Ausrollen beider Unterschenkel weniger Druck, als wenn man ein Bein auf das andere legt und nur einen Unterschenkel ausrollt. Stützt man ein Bein auf dem Boden ab, ist der Druck auf dem zweiten Bein ebenfalls geringer.
Im Prinzip gleicht das Fascial-Release-Training dem Ausrollen eines Pizzateiges. Dabei wird versucht, eine möglichst glatte Fläche auszurollen. An den Stellen, an denen der "Teig" (Faszienstruktur) noch verdickt bzw. verklebt ist, wird so lange gerollt, bis die Stelle glatt ist.
Mit dem Ausrollen der Muskulatur möchte man erreichen, dass verklebte Faszienstrukturen gelöst werden und das Binden von Wasser im Gewebe angeregt wird, um eine bessere Gleitfähigkeit zu erzeugen. Ohne genügend Flüssigkeit im Körper ist ein optimales Trainingsergebnis nicht zu erreichen. Dadurch, dass mit dem eignen Körper Druck erzeugt wird, erhöht sich die Gleitfähigkeit und die propriozeptiven Wahrnehmungsmöglichkeiten verbessern sich.
Man kann grundsätzlich zwei Arten des Ausrollens unterscheiden:
• Das langsame, schmelzende Ausrollen
• Das schnelle Ausrollen
Möchte man primär bindegewebige Verklebungen beseitigen, ist ein sehr langsames, schmelzendes und zeitlupenartiges Ausrollen zu empfehlen. Langsames, schmelzendes Ausrollen bedeutet, wenige Millimeter auf mehrere Atemzüge verteilt zu rollen.
Dabei ist besonders auf ein "Hineinschmelzen" innerhalb einer Position und das kontinuierliche Weiterbewegen entlang des Verlaufs der zu behandelnden Faszie wichtig. Das Bindegewebe wird lokal stimuliert, wie bei einer myofaszialen Release-Behandlung eines Manualtherapeuten. "Myofaszial" bedeutet, dass man sowohl Muskel als auch Faszie gleichzeitig behandelt. Dabei können die Rollwinkel des Körpers in einem kleinen Bereich um den Faszienverlauf herum verändert werden. Man kann mit der Rolle hier etwas "spielen".
Der wohltuende Release wird in der Regel schon nach kurzer Zeit spürbar. Beim ersten Überrollen machen sich häufig bestimmte, deutlich schmerzhafte Stellen bemerkbar. Schmerzen können sowohl vom Muskel als auch von der Faszie kommen. Nach weiteren, langsamen Wiederholungen werden diese Bereiche deutlich geschmeidiger, durchlässiger und mit der Zeit weniger schmerzempfindlich. Man spricht dann von einem sogenannten "Wohl-Weh".
Unter dem Druck des Ausrollens wird das Wasser aus dem Gewebe ausgedrückt, wie aus einem vollgesaugten Schwamm. In der darauf folgenden Entspannungsphase strömt die Flüssigkeit wieder ein und das Fasziengewebe saugt sich wieder voll. Voraussetzung: Der Körper ist gut mit Flüssigkeit versorgt. In einem durch Sport stark belasteten Gewebe, aber auch bei körperlich passiven Menschen, kann es sonst zu einem Mangel an Hydration der kollagenen Gewebe sowie zu einer Gelartigen Veränderung der Grundmatrix kommen.
Ziel der Übungen ist es, den gesunden und natürlichen Fluss der Flüssigkeiten anzuregen und das bis in die filigranen Netze und innersten Fibrillen des Kollagennetzes hinein.
Dieses Faszientraining kann man z.B. 30 bis 45 Minuten lang durchführen. Allerdings sollte dies am Ende der Trainingseinheit stattfinden, da es sich um eine anstrengende Belastung handelt. Wird, wie bei Profis oder auf Lehrgängen üblich, mehrmals am Tag trainiert, so sollte diese Form des Faszientrainings erst am Tagesende, also nach der abendlichen Trainingseinheit, durchgeführt werden.
Das schnelle Ausrollen wird in der Regeneration angewendet, um nach einem Training oder Wettkampf den normalen Muskeltonus wiederherzustellen und den Stoffwechsel der Faszien und Muskeln anzuregen.
Die BLACKROLL gibt es in unterschiedlichen Formen und Ausführungen. Die Ausführungen sind entsprechend des Einsatzortes geformt und verfügen über unterschiedliche Härtegrade. Je härter die Rolle, umso fortgeschrittener ist i.d.R. der Trainierende und umgekehrt.
Durch den Einsatz der BLACKROLL wird auch auf die Muskulatur ein enorm hoher Druck ausgeübt, der in der Regenerationsphase zu einer verstärkten Durchblutung führt. Dadurch wird die muskuläre Regeneration intensiviert.
Vorsichtig sollte man sein, wenn man die BLACKROLL im Aufwärmprogramm einsetzt. Da es einer Massage entspricht, darf es nur sehr kurz sein und keinesfalls übertrieben lang eingesetzt werden, denn Massagen sind in den meisten Sportarten/Disziplinen zum Aufwärmen eher unüblich. Ohne ein aktives Aufwärmen, bei dem die Muskeln aktiv angesteuert werden, sollte man nicht Sport treiben. Kritisch sollte man z.B. auch mit der Anwendung in der Leichtathletik sein, wenn man zwischen den einzelnen Versuchen z.B. im Weitsprung, Hochsprung etc. sich ausrollen möchte. Der Muskeltonus darf für die Schnellkraftsportarten nicht zu stark herunterreguliert werden. Dies wäre für die kurzfristige Leistung nicht zuträglich.
Die BLACKROLL gibt es in unterschiedlichen Formen und Härtegraden. Die harte Rolle ist für Athleten gedacht, welche schon länger mit der Standardrolle arbeiten. Sie erhalten dadurch einen neuen, stärkeren Reiz. Sie ist zusätzlich für schwere Sportler ab 100 kg Körpergewicht geeignet, wie z.B. Kraftsportler, Basketballer oder American Football-Spieler.
Die deutlich weicheren MED-Versionen sind für alle Personen unter 60 kg geeignet sowie Athleten, die verstärkt druckempfindlich sind. Sie eignen sich zudem nach Sportverletzungen. Hierzu sollte jedoch ein Physiotherapeut zurate gezogen werden. Diese Versionen eignen sich besonders für das regenerative Rollen!